Blogeintrag #2: Von Fakten und Meinungen. Von subjektiv zu objektiv zu objektivierbar…?
Nein: ich werde hier nicht über die Qualität der Medien in Deutschland schreiben. Lästern werde ich auch nicht. Ich selbst habe Ende letzten Jahres mein eigenes Media-Detox-Programm gestartet. Kann ja jeder machen wie er will. Für mich passt das. Ich muss nicht mehr über so viele Dinge nachdenken, die angeblich passiert sind und bei denen ich dann unbewusst und meistens auch ungewollt zu grübeln beginne. Manches von dem angeblich Passierten beginne ich dann zu bewerten und nur allzu oft ärgere ich mich sogar über dieses oder jenes. Kann man machen, will ich aber nicht (mehr) machen. Aber wie gesagt: In diesem Beitrag geht es nicht um die Medien. Es geht um Gespräche zwischen Menschen. Um Kommunikation. Wäre es nicht schön, wenn wir mit unseren Mitmenschen öfter einer Meinung wären? Nein? Weniger Chancen, etwas vom anderen zu lernen? Hmm. Stimmt wohl. Erst durch unterschiedliche Sichtweisen können wir lernen und wachsen. Und nur durch wachsen können wir morgen (nachdem wir wiedermal etwas gewachsen sind) etwas mehr anbieten als noch vor ein paar Tagen. Macht das nicht unsere Gegenwart und die Interaktion mit uns wertvoller für andere und durch die unterschiedlichen Sichtweisen wertvoller für uns selbst? Eine echte Aufwärtsspirale wäre das. Doch was steht dem im Wege? Wenn ich die letzten Gespräche im Freundeskreis revue passieren lasse, dann entstand Reibung oft wegen unterschiedlicher Meinungen dadurch, dass die Beteiligten unterschiedliche Wissensstände hatten. Und was ich dann auch immer wieder feststelle ist, dass der Mensch nicht weiß, was er nicht weiß. Klingt komisch, ist aber so. Und weil das so ist, kann er auch nicht erkennen, wenn seine Meinung auf einer angenommenen Tatsache basiert, die keine Tatsache ist. Und dann passiert folgendes: Jemand argumentiert sehr engagiert für seine Sichtweise. Einer in der Gruppe widerspricht – hat also eine andere Meinung. Soweit so gut. Hätten beide den gleichen Wissensstand, dann wäre zwar nicht unbedingt eine gleiche Meinung die Folge. Zumindest wären aber die Chancen deutlich höher, zu einer qualifizierteren Meinung zu gelangen. Nennen wir Tatsachen „Fakten“, dann helfen wir der Konversation schon auf Sprünge Die einfache Frage „wie sehen denn die Fakten aus?“ kann da schon Wunder bewirken, ohne, dass sich einer der Teilnehmer angegriffen fühlt. Denn während man beim Begriff „Tatsache“ viel leichter geneigt ist, diese anzunehmen und interessanterweise auch, diese zu hinterfragen, ist das einfache Annehmen vermeintlich korrekter Inhalte ein subtiles Versteck für Unwahrheiten, aus denen sich dann aufreibende Gespräche entwickeln, die keinem etwas nützen und in der Regel unnötige Spannungen erzeugen. Unwohlsein in einer solchen Gesprächsatmosphäre ist nach meiner Beobachtung oft die Folge. Unnötig. Also her mit Fakten wann immer es geht. Ich selbst tappe allerdings dabei oft unbeabsichtigt in eine Falle. Wer Fakten fordert, wirkt schnell wie ein Besserwisser. Darauf bin ich mittlerweile zwar besser und besser vorbereitet. Dennoch erfordert es etwas mehr Anstrengung, in solchen Gesprächen voranzukommen.
Wenn dann in einem Gespräch, das zum Wachsen der beteiligten Gesprächspartner beitragen kann, so gut wie möglich Fakten gefunden sind, dann dürften nach meinen Beobachtungen 70 bis 80 Prozent aller Gespräche, die früher von unnötigem Dissens begleitet wurden, entschärft oder thematisch ausreichend umgeleitet worden sein. Doch es geht noch besser. Wann immer wir mit geschärftem Blick und viel Übung erkennen können, an welcher Stelle in einer Konversation immer noch Meinungen die Oberhand gewinnen, dann lohnt es sich, einen Begriff einzuwerfen, von dem viele Menschen noch nie etwas gehört haben. Der Begriff ist ein Adjektiv und lautet „objektivierbar“ Laut Duden bedeutet objektivierbar „sich objektivieren lassend“. Das Gegenteil von subjektiv ist objektiv. Zu dem Begriff Subjekt finden wir im Duden drei Bedeutungsansätze. 1. „mit Bewusstsein ausgestattetes, denkendes, erkennendes, handelndes Wesen“ und 2. „ein Satzglied, in dem dasjenige (z. B. eine Person, ein Sachverhalt) genannt ist, worüber im Prädikat eine Aussage gemacht wird), einen Satzgegenstand“ und 3. „einen verachtenswerten Menschen“. Es gibt weiterhin noch eine Definition aus der Musik aber die vernachlässige ich an dieser Stelle. Ein Subjekt ist also ein Mensch. Subjektiv also irgendwie durch einen Menschen geprägt. Kurz: Eine Meinung. Objektiv hingegen ist das faktische. Wenn es möglich ist, das Faktische, also das Objektive unabhängig vom Menschen wiederholbar zu machen, dann nennt man das „objektivierbar“ also von Meinung befreit – etwas ist objektiv so, weil es objektivierbar gemacht oder gelassen (ermöglicht) wurde.
Natürlich ist es selten hilfreich, in einer normalen Gesprächsrunde unter Freunden eine derartige Abhandlung einzuwerfen und dann zu hoffen, diese stoße auf große Begeisterung. Was jedoch in der Regel funktioniert, ist, darauf hinzuweisen, dass es hilft, Meinung von Fakten zu trennen. Und eine wirksame Methode dazu ist es, vorzuschlagen, eine Meinung auf ihre Objektivierbarkeit hin zu überprüfen. Am besten klappt das wohlwollend und langsam, so dass jeder Gesprächsteilnehmer die Chance hat, den Denkprozess selbst durchzumachen. Ein guter Indikator dafür, ob das in einem Gespräch auf gutem Weg ist, ist das Nicken der Beteiligten. Bei beginnendem Kopfschütteln Einzelner solltest Du das Tempo reduzieren.
Wer also in Konversationen Streit und Streitpotential reduzieren möchte, der kommt mit dem Schwenk hin zu Fakten und dem Versuch, etwas objektivierbar zu machen, in der Regel sehr viel weiter. Üben lohnt sich.
„Wenn du im Recht bist, kannst du dir leisten, die Ruhe zu bewahren; und wenn du im Unrecht bist, kannst du dir nicht leisten, sie zu verlieren.“ – Mahatma Gandhi
Mach mehr draus und entwickle ein Habit für Dich
Irgendwie können wir mitunter nicht anders und müssen stets alles und jeden bewerten. Kann man machen. Muss man aber nicht. Nehmen wir eine Situation immer zuerst mal als das, was sie ist. Eine Situation. Wir akzeptieren sie. Mehr nicht. Dann erst sollten wir entscheiden, ob wir diese unbedingt bewerten müssen. Es kann – muss aber nicht unbedingt – sinnvoll sein, sich auf die eine oder andere Seite der Bewertung zu schlagen, indem wir die Lage als gut oder nicht so gut einschätzen. Ich versuche so oft wie möglich, das Gute zu sehen. Dann geht es mir in der Regel deutlich besser als wenn ich die Situation nicht gut finde. Wir haben letztendlich immer die Wahl. Ein nettes Sprichwort dazu: „Zwei Gefangene schauen aus ihren Zellen in die Ferne. Der eine sieht nur Staub. Der andere die Sterne.“
Hier geht es um die 2. Spielregel des Lebens: „Es ist wie es ist. Bewerten ist optional.“
Wer weniger bewertet, der hat weniger Stress und weniger Spannungen im Umgang mit anderen.